36. KW
Diese Woche im Angebot: Das Familienmenü. Typisch sizilianisch. Der Besuch brachte Schwung in die Bude. Der Mietwagen – ein Upgrade von Fiat Panda auf Renault Clio – trug zur Mobilität und schon lang vermissten Unabhängigkeit ebenso bei wie die vielen Schwimmausflüge am Morgen der generellen Munterkeit.
Die Strecke nach Palermo verging im Mietwagen wesentlich schneller als im blauen Bus und dem vierten Gang. Da der Flughafen nur 15 Minuten unbezahltes Parken anbietet und die Ryanair Flieger immer zu spät kommen, parkt man auf der Zufahrtsstraße zum Flughafen. Aufs Handy konzentriert, bemerkte ich das Polizeiauto erst, als es hupte. Also eine kleine Ehrenrunde gefahren und mit den anderen aufgeflogenen Tauben wieder an die gleiche Stelle gestellt. Diesmal jedoch behielt ich den Rückspiegel im Blick. Nachdem der Flieger laut Webseite gelandet war, passte auch das 15-minütige Zeitfenster. Selten lohnte sich die Abholung in Palermo wie an diesem Tag: Es gab als Bonus eine frisch importierte Streuselschnecke aus Deutschland.
Der Wind war natürlich nicht ganz so optimal abgestimmt. So gab es Kurzausflüge zum Bergdorf Erice und den heißen Quellen. Ständig begleitet von nervösen Blicken aufs Handy für die aktuellen Windmesswerte. Von den heißen Quellen bis zur Villa schafft man es mit den richtigen Messwerten also auch innerhalb von dreißig Minuten.
Ich musste zum Glück nicht viel Schulen und so gelang es den Wasserstart zu schaffen. Von „Ich kann den kite nicht halten, der ist viel zu groß.“ zu „Wie viele Meter bin ich gefahren?“ war es dann doch nicht so weit. Stolz.
Ein paar Runden „shithead“ (Kartenspiel) mit der ganzen Truppe um Toine und Melanie, Max und Vicky, Hannes und Kumpel, Tim, Milli, Dennis, Zeffe und Dominik spielten wir und Eis gab es auch immer. Ob in der Oasis Bar, Caito Gelati oder bei Saro – geschmeckt hat es überall.
Leider wechselte auch die Belegschaft nun komplett. Mein geliebter Toine ging zusammen mit Melanie. Ich ließ es mir nicht nehmen sie zum Flughafen zu bringen. Vermissen Baby.
Max und Vicky ebenfalls. Die beste Belegschaft, die man sich ohne Geld wünschen kann.
Oh. P.s.: Da mein O’Neill Neo an der Schulter gerissen ist, trage ich nun einen von Xcel. Sehr zu empfehlen, denn sehr gut gearbeitet und fühlt sich gut an. Mal schauen, wie er nach einem Jahr ausschaut. Der O’Neill ist mittlerweile repariert worden und wartet daheim auf mich.
37. KW
Ich habe mir einen Muskelfaserriss zugezogen. Wie? Die Geschichte mit dem Wal.
Es war ein guter Tag und ich hatte meine erste Unterrichtsstunde hinter mir. Der Wind war stabil und stark. Wir hatten bis zu 22 Knoten an dem Tag. Es war ein Traum und ich hoffte nach der Schulung selbst noch aufs Wasser gehen zu können. Ich kam also aus dem Wasser und Dominik stellte mir meinen neuen Schüler vor. Ein komplett mit Core ausgestatteter Fahrer. Nur die Handschuhe fehlten. „Hab ich im Auto“ versicherte er mir. Er versucht wohl seit einigen Jahren kiten zu lernen und bisher hatte er mäßigen Erfolg. Nun beschloss er es noch einmal zu versuchen und hat sich dazu komplett neues Material gekauft. „Wenn es diesmal nicht klappt, verkauf ich halt alles wieder.“ Okay. Ich fühlte mich herausgefordert und war mir sicher ihn locker zum Fahren zu bringen. Kam leider nicht dazu.
Es waren zu viele Kiter am Spot und zu wenig Helfer. Unser Praktikant kitete selbst und bei der Masse an Kunden darf solch Fehler nicht passieren. Ich startete und landete sicher 5 kites bis ich mir sagte „Nun ist Schluss, jetzt geh ich mit meinem Schüler raus.“ Während ich also wartete, dass jemand mir den kite starten würde, sah ich wie so ein Wal und ihr Freund sich selbst starteten. Sie startete den kite von links nach 12, ging aber natürlich weiter auf rechts und griff heftig in die Bar, damit er auf 12 geht. Zu stark festgehalten, dann noch rangezogen und sie machte den ersten Satz in die Luft. In der Luft schaffte es sie dann auch noch die andere Hand an die Bar zu bringen und kräftig weiter daran zu ziehen. So sah ich also meinen ersten Wal in Sizilien übers Wasser hüpfen. Hätte ich nicht so ein blödes Helfersyndrom…alle schauten zu und niemand machte was. Ergo sprintete ich los. Das heißt ich versuchte es, es gab einen Zug in der Wade, ich kam einen ganzen Meter weit und pausierte dann erstmal.
Alex schaute es sich kurz an und meinte wahrscheinlich Muskelfaserriss. Hat mich dann mit nach Haus genommen und sich selbst die nächsten Tage zurückgezogen, allerdings auf Grund eines heftigen Sonnenstichs, der ihn dann sogar früher abreisen ließ. Es geht immer schlimmer.
Bei mir hieß es die Woche eine Pause einlegen. Wind war glaub ganz gut, denn ich war meist allein daheim. An Sport war nicht zu denken und der Laptop war wie immer beliebte Ablenkung. Insgesamt ganz gute Bettruhewoche.
Der Wechsel in der Belegschaft Ende letzter Woche spiegelte sich auch in den Aktivitäten wider. Sport schrumpfte zusammen und PC Aktivitäten gingen hoch. Ob es das gemeinsame Risikospiel (ehemals Brettspiel, nun auf dem Beamer) war oder Trackmania Rennspiele – es war definitiv eine neue Stimmung oben zu spüren. Keine morgendliche Musik aus dem „Sportraum“ durch Toine und keine „lass uns einen Baum pflanzen“ Impulse durch Max. Man vermisst immer, was nicht mehr ist.
38. KW
Meinem Bein geht es besser. Es fühlt sich nach permanentem Muskelkater an, doch ich kann sauber auftreten, anspannen und habe meinen Spotdienst wahrgenommen. Wind war keiner, doch Unterhaltung hatte ich genug. Zwei Bauingenieure mit denen man über Job, Kitestation und Arbeit-Freizeit-Verhältnisse diskutieren konnte, waren am auschecken. Manchmal fehlen mir die Gespräche unter Gleichgesinnten.
Am Abend ging es wie so häufig zur Oasi Bar. Ich fuhr den blauen Bus an, während Nathalie und Tim noch auf dem wortwörtlichen Sprung in diesen waren. Nathalie entdeckte Bobby und rief „Können wir Bobby mitnehmen?“ und Dominik antwortete „Wenn du den Hund tragen und neben uns laufen willst, kannst du ihn gern mitnehmen.“. Herrlich. Unten am Tor angekommen, fragte jemand: „Ist das Tor wieder ganz?“ und Dominik, der einen guten Tag zu haben schien „Ja, du kannst es auf- und zuschieben.“
Die meisten Tage – wie seit August üblich – gab es Regen und Gewitter. Wir vergnügten uns bei Risiko „die Schweiz greift man nicht an Milli“, Trackmania und Filmen.
Am 19.09. hatten wir einen weiteren Toten am Spot. Der erste Tote hatte einen Herzinfarkt. Der zweite, ein junger Pole, hat sich mit seiner Boardleash (doh) erwürgt. Der dritte Tote nun musste genau bei uns am Spot rauskommen.
Der Tag lief gut, meine Schülerin war Frischling und es lief alles bestens. Wir hatten den Theorie- und Kiteaufbau Part abgeschlossen, sie war schon am Trainerkite gut dabei und wir standen im Wasser bei der Kitesteuerung. Sie war sehr ruhig und das tat auch mal gut. Ich schilderte einen Abend den Jungs, wie die Konversation zwischen uns abläuft und im Flüsterton erfolgten die Anweisungen.
Jedenfalls braute sich den ganzen Tag über schon was zusammen und wir beobachteten alle die dunklen Wolken Richtung Favignana. Es gab auflandigen Wind aus Südwest und wir hielten ordentlich Abstand. Später sagte mir Dominik wie erstaunt er war, denn ich war am weitesten vom Ufer entfernt und als erster mit meiner Schülerin an Land.
Jedenfalls fragte sie noch, ob die Wolken nicht gefährlich wären und ich sagte ihr „Wenn die kites da hinten wie im Comic sich in schwarze Asche verwandeln und zusammenfallen – dann gehen wir auch langsam raus.“. Keine zwei Minuten später kam ein Pfiff vom Ufer und Dominik wedelte mit den Armen. Also den kite umgehangen, ihr vom Spaß des Bodydrags erzählt, „gut festhalten“ und ab ging es mit kiteloops Richtung Strand. Während ich sie den gelandeten kite festhalten ließ, mich bemühte alle reinkommenden kites zu landen, brach der Sturm los. Von stabilen 16 Knoten ging es auf über 25 und neben den Landungen ging es ans möglichst schnelle Einpacken und in den gelben Bus werfen. Die ersten versteckten sich hinter dem schwankenden Trailer und dem stabileren gelben Bus.
Unser fone Zelt verabschiedete sich mittendrin ebenfalls.
Dann kam also der noch Lebende aufs Land zugerast, kite im deadloop, die Bar festhaltend, nicht auslösend und nach kurzem Stop am Grashügel zog es ihn weiter in die Weinfelder. Ich bin froh noch mit meinem Muskelfaserriss zu kämpfen gehabt zu haben, denn die Beschreibungen von Hannes und Tim, die als Erste bei ihm eintrafen, als er nach 200 Metern zum Liegen kam, reichten mir völlig aus.
Keine Minute später raste der Nächste loopend auf den Strand zu und während er Glück hatte nur über unseren wunderbaren Schotter zu schliddern, riefen wir auf ihn zulaufend zu „release!“. Ich konnte ihm beim Laufen dabei zusehen, wie sein Blick nach unten ging, es im Kopf ratterte und er realisierte „da war ja was“ und auslöste. Wie sehr er trotzdem im Schock war, sah man daran, dass er statt seine safety zu lösen, sich aus der safety aushakte. Dabei hielt ich seinen kite schon an der safety fest.
Nummer drei löste 10 Meter vorm Strand aus und war damit noch am Sichersten. Sein kite flog über den Strand und ich bekam ihn dank Muskelfasermist leider nicht gefasst. Dominik versuchte auch kurz ihn zu fangen, war dann aber nur noch froh aus den Leinen raus zu sein.
Bis die Ambulanz da war verging einige Zeit, doch wenn man die Straßenlage berücksichtigt, war es dennoch recht fix. Dass kein Arzt mit im Wagen war, machte es nicht wirklich besser, doch hätte der ihm wohl auch nicht mehr helfen können. Insgesamt fehlt allen die richtige Ausbildung. Die neun Stunden Erste-Hilfe-Kurs vor 2 Jahren vermittelten einen Eindruck, doch was ich genau hätte machen sollen, war mir wie dem Rest nicht wirklich bewusst. Bis auf Hannes, der wohl zuletzt einen Radfahrer in Deutschland wiederbelebt hat, konnte keiner richtig sicher mit der Situation umgehen. Von der Suche nach der Notrufnummer ganz zu schweigen.
Die meisten Gäste entfernten sich fix vom Spot und auch wir machten uns nach Erscheinen der Polizei auf den Heimweg. Hannes hat es ganz schön mitgenommen. Wir haben alles Material ausgeräumt, alles gewaschen und zum Trocknen aufgehangen. Die Rückkehr zur Normalität erfolgte erst Tage später und die Gespräche waren lange Zeit nur noch auf das Thema fixiert. Konsequenz für uns daraus: Notrufnummerntafel, Erste-Hilfe-Set auf Stand bringen, Bars nur noch mit ausgelöstem Quickrelease herausgeben und niemanden ohne Schulung mit Level 3 Material leihen lassen (auch wenn der Tote eigenes Material hatte und nicht an unserer Station war). Mit Hannes habe ich am Abend dann noch seinen kite versucht zu reparieren. Core hat gute Anleitungen im Netz und ich bin mehr und mehr von deren Produkten überzeugt. Würde gern mal was von denen länger ausprobieren.
Noch später fuhren wir gemeinsam zur Oasi Bar Eis essen. Wir waren froh, dass es am nächsten Tag keinen Wind mehr gab.
Den Rest der Woche gab es eigentlich nur noch Regen und Tischtennis, Risiko und Regen.
39. KW
Eventwoche und wir waren bis 4 Uhr morgens in Marsala unterwegs. Guter Start. Die letzte durfte Hannes machen, da ich mit meinem Bein noch immer zu kämpfen hatte. Zumindest mich nicht bereit für Wasserwaten hielt. Was im Endeffekt aber gar nicht nötig gewesen wäre, da es keinen Wind gab. Nun also meine Eventwoche. Auch ohne Wind.
Wir starten am Sonntag und es gab maximal 6 Knoten. Gut vorbereitet erschienen Domi und ich am Spot mit SUPs und guter Laune. Nach holpriger Einführung ging es eigentlich direkt mit den SUPs aufs Wasser zur ersten Insel. Die Umrundung endete mit Landung auf der Insel Mozia, auf der wir illegal Ausgrabungsstätten besuchten. Notiz an mich: Wasserflaschen, Sonnencreme und gegebenenfalls Flipflops machen sich nicht verkehrt.
Weiter ging es dann zum Kanal auf der gegenüberliegenden Seite und da paddelten wir zwischen Fährschiffen, entlang der pink schillernden Salzfelder zum Café Mamma Caura.
Die weitere Woche gab es ein paar heftige Windtage, meist jedoch recht wenig, viel Theorie und eine Mädelsgruppe, die mich auf Trapp hielt.
Caterina, Lucia, Vicky und die später dazu gestoßene Nadine (Sternchen) sammelten sich um Kai und mich. Wir hatten mit und ohne Wind viel Spaß und ich ein einfaches Leben.
Caterina war die Anstrengung, Vicky das Leichtgewicht, Lucia die Erfolgreiche, Kai der Geduldige und Nadine…war einfach nur Sternchen. Die von Dominik erstellte Gruppe hieß „Event mit Martin“ und was am Anfang ein Witz war, erfüllte sich zum Schluss: Event mit Martin…Martin hat die Gruppe verlassen. Haha.